Die Sehnsucht nach Frieden

Die Anzahl der Kriege nimmt global weiter zu, das dadurch verursachte Leid von Menschen und Tieren ist unvorstellbar. Immer drängender stellt sich die Frage: Wie können wir Kriege verhindern und wieder zu mehr Frieden finden – untereinander und weltweit?

Katherine Tingley, die wohl größte Mystikerin ihres Jahrhunderts, gibt dazu diese tiefgehende Erklärung, die auch heute noch genau den Kern trifft: 

Es wirft ein schlechtes Licht auf das Gemüt eines Volkes, wenn es glaubt, dass anstelle des Friedens Krieg, anstelle der Kräfte des Gemütes und der Seele rohe Gewalt berechtigt seien. Menschliches Denken ist in seiner Macht unermesslich, und der spirituelle Wille könnte universalen Frieden zustande bringen und ihn aufrechterhalten, wenn der Mensch diesen Willen nur wachrufen würde.

Die Nationen beten um Frieden; doch kann dauernder Frieden nie erreicht werden, wenn nicht der Geist wahrer Bruderschaft im Herzen der Menschen lebendig ist.

Wir können nicht erwarten, dass der Weltfrieden auf einmal kommt. In dieser Beziehung kenne ich die menschliche Natur zu gut. Wir müssen zuerst lernen, uns gegenseitig zu vertrauen, sowohl persönlich einer dem Anderen als auch jedes Volk dem anderen. Wir müssen unsere Ideen in Bezug auf Bruderschaft erweitern. Bei allen Nationen finden wir heute großmütige Menschen, die diesem Problem ihre Aufmerksamkeit schenken. Es sind aufrichtige Menschen, die ein tiefes Interesse an der Wohlfahrt der Welt nehmen. Aber ach, welche Zeit wird verschwendet, welche Gedankenkräfte und Fähigkeiten werden vergeudet, um im Namen des Friedens eine neue Ordnung der Dinge in die Wege zu leiten, da alle diese Menschen den einfachen, wahren und einzigen Weg dazu aus den Augen verloren haben. Bruderschaft ist der Weg. Bruderschaft ist der Grundton des neuen Zeitalters. Universale Bruderschaft ist so viel wie universaler Frieden.

Die Menschen mögen über den Frieden reden und für den Frieden wirken, aber solange sie nicht versuchen, den Frieden in ihrer eigenen Natur zu finden, bleibt alles nur ein Trugbild. Solange wir nicht beginnen, unser Selbst in Ordnung zu bringen, können wir nicht einmal die Macht gewinnen, unsere bürgerlichen Angelegenheiten in die rechten Wege zu leiten, geschweige denn internationale Streitfragen zu schlichten.

„Aber“, werden vielleicht manche kritischen Köpfe sagen, „wie können wir die Welt zum Frieden anhalten, wo doch so große Differenzen bestehen, nahezu unüberbrückbare Differenzen?“ Meine Erwiderung darauf kann nur lauten: „Was hält eine Familie zusammen, auch wenn Differenzen auftauchen? Doch nur die Bande der Verwandtschaft, die fundamentale Liebe von Bruder zu Bruder [im Sinne von „von Mensch zu Mensch“, Anm. d. Red.], die im Verwandtschaftsleben pulsiert. Sie wird genügen, die Familie zusammenzuhalten, wenn sie im Geiste der Gerechtigkeit herangewachsen und zur Entwicklung gelangt ist. Warum sollte dies nicht ebenso in der größeren Familie der Welt, in der Menschenfamilie, der Fall sein?“

Warum kommt die Menschheit nicht zur Einsicht, zu erfassen, was ihr vor allem nottut, bevor die Katastrophe eintritt? Warum können wir nicht einander helfen, bevor wir durch Krieg oder Leiden dazu aufgerufen werden? Warum können wir unsere bisherige Richtung nicht aufgeben, uns auf den Boden wahren Mitleids und wahrer Gerechtigkeitsliebe begeben und den Geist der Bruderschaft in das menschliche Leben einpflanzen? Spirituelles Heranwachsen – das ist das Ideal, es ist die einzige Gewähr für dauernden Frieden.

Aus: Katherine Tingley, Der Pfad des Mystikers, S. 80 f.

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